Unser neues Buch «Wo steckst du, Bernadette?» von Maria Semple schildert das ungewöhnliche Leben einer chaotischen, genialen Frau und ihrer hochbegabten Tochter. Es ist witzig und kurzweilig geschrieben, ein absolutes Lesevergnügen! Details hier.
Kontakt: Susanne Lehmann, su.le@bluewin.ch
Die Schriftstellerin Ann Petry beschreibt in «Die Strasse» das von Armut und Not geprägte Leben einer afroamerikanischen Frau im Harlem der 1940-er Jahre. In der 116th Street, umgeben von Hoffnungslosigkeit, Gewalt und Rassismus versucht die alleinerziehende Mutter für sich und ihren Sohn einen Weg aus dieser Strasse und in eine würdige Existenz zu finden. Wegen ihrer Hautfarbe sieht sie sich immer wieder mit zweideutigen Stellenangeboten konfrontiert, wird diskriminiert und belästigt. Trotz verzweifelter Bemühungen, aus ihrer desolaten Situation herauszufinden, scheitert sie an der Niedertracht der Menschen und der Strasse. Sie bringt sich in eine ausweglose Lage, die sie schliesslich zur Flucht und zum Verlassen ihres Sohnes zwingt.
Ein wenig aus der Zeit gefallen ist Brinkebüll, ein Bauerndorf,
in dem die "Mittagsstunde" heilig ist. Wenn viele Menschen schlafen,
sich Türen leise öffnen und wieder schliessen, wenn sich Erwachsene
unbeobachtet glauben und Kinder allerhand Schabernack treiben.
Brinkebüll hat mit einer "Flurbereinigung" zu kämpfen:
Felder werden zusammengelegt, Bauern müssen ihre Höfe aufgeben, der Dorfladen
geht ein. Bäume werden abgeholzt, Bäche begradigt, die Dorfgemeinschaft leidet.
Und mittendrin spielt die verworrene Familiengeschichte der Feddersens: Ein
Mann, der aus dem Krieg heimkehrt und nicht wirklich willkommen ist und ein
Enkelsohn, der etwas gutzumachen hat.
Der Roman "Mittagsstunde" von Dörte Hansen beschreibt
den stillen Untergang der "guten alten Zeit" und lässt uns
nachdenklich werden.
Simone Lappert beschreibt in ihrem Buch «Der Sprung», wohin ein
fatales Missverständnis, Mediengeilheit und Sensationslust führen können: Wegen
eines panischen Telefonats geht die Polizei ohne nachzufragen davon aus, dass
sich eine junge Frau, die auf einem Balkon ausgesperrt wurde und aufs Dach
eines Hauses gestiegen ist, umbringen will. Presse und Neugierige finden sich
ein, niemand fragt genauer nach, wie es zu dieser Situation hatte kommen
können. Etliche näher Beteiligte sind nur darauf bedacht ihren Ruf zu wahren,
sich zu profilieren oder von den Umständen zu profitieren.
So kommt es, dass eine eigenwillige junge Frau, die anfänglich nur
aus ihrer unfreiwilligen Lage befreit werden wollte, im ausgelegten
Sprungkissen landet und in die Psychiatrie eingeliefert wird. Die Schicksale
und Handlungen verschiedenster Menschen beeinflussen das Geschehen und werden
von der Schriftstellerin gekonnt miteinander in Verbindung gebracht.
Die Romane "Alle, ausser mir" von Francesca Melandri und "Herkunft" von Saša Stanišić haben, bei vollkommen unterschiedlichem Schreibstil, etliche Gemeinsamkeiten: Da sind die Demenzen von Vater oder Grossmutter und die daraus entstehenden Missverständnisse, die Wichtigkeit des familiären Zusammenhalts, Rassismus und Krieg.
Francesca Melandri beschreibt in drastischen Bildern die Kolonialgeschichte Italiens, Krieg und Besetzung im damaligen Abessinien, während Saša Stanišić mit knappen, fast zynischen Äusserungen die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und in seiner bosnischen Heimat schildert.
Die Bedeutung der Familie und somit der Herkunft über drei Generationen spielt in beiden Büchern eine zentrale Rolle. Was heisst es, zufällig in ein Land, in eine Familie hinein geboren zu werden? Diese Frage begleitet uns in beiden Werken.
Ein ganz besonderes Buch, für alle, die immer noch mehr lesen möchten: "Das Mädchen mit dem Fingerhut" von Michael Köhlmeier: Eine Parabel über Liebe, Gleichgültigkeit und Verwahrlosung.
Die Romane "Alle, ausser mir" von Francesca Melandri und "Herkunft" von Saša Stanišić haben, bei vollkommen unterschiedlichem Schreibstil, etliche Gemeinsamkeiten: Da sind die Demenzen von Vater oder Grossmutter und die daraus entstehenden Missverständnisse, die Wichtigkeit des familiären Zusammenhalts, Rassismus und Krieg.
Francesca Melandri beschreibt in drastischen Bildern die Kolonialgeschichte Italiens, Krieg und Besetzung im damaligen Abessinien, während Saša Stanišić mit knappen, fast zynischen Äusserungen die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und in seiner bosnischen Heimat schildert.
Die Bedeutung der Familie und somit der Herkunft über drei Generationen spielt in beiden Büchern eine zentrale Rolle. Was heisst es, zufällig in ein Land, in eine Familie hinein geboren zu werden? Diese Frage begleitet uns in beiden Werken.
Selbst spielsüchtig, beschreibt der Schriftsteller in diesen
Aufzeichnungen den Weg eines jungen Mannes in die Abhängigkeit.
Alexej Iwanowitsch, ein Hauslehrer ohne Vermögen, will seinen
Lebensunterhalt mit Spielen verdienen. Eine regelmässige Arbeit anzunehmen, ist
für ihn keine Option mehr. Vorerst mit Glück gesegnet, gerät er in der
exzentrischen Gesellschaft, die sich um die Roulettetische Europas versammelt,
in Schwierigkeiten. Rücksichtslos und leichtfertig setzt er Liebe,
Freundschaften und seine Zukunft aufs Spiel, bis ihm nichts mehr bleibt, ausser
weiter zu spielen.
Dostojewskij beschreibt die Essenz einer Sucht, der alles, was lebenswert ist, geopfert wird. Die Handlung ist spannend und temporeich geschrieben, zwei ausgezeichnete neue Übersetzungen, (Swetlana Geier und Alexander Nitzberg) stehen zur Verfügung.
Eveline Hasler beschreibt in «Tochter des Geldes» das Leben der
Revolutionärin und Kommunistin Mentona Moser (1874 - 1971). Diese ist
hierzulande weitgehend unbekannt, trotz ihres grossen Einsatzes für
benachteiligte Menschen.
In der Schweiz geboren und aufgewachsen auf der Halbinsel Au, liess sie sich in
London zur Sozialarbeiterin ausbilden und kümmerte sich um Kinder armer
Familien. Nach einem Lehrgang in Krankenpflege gründete sie in Zürich die erste
soziale Frauenschule der Schweiz. Sie trat der Kommunistischen Partei der
Schweiz bei und begann sich für das neue sozialistische Russland zu
interessieren.
Mentona Moser übernahm die Leitung der Mütter- und Säuglingspflege bei Pro
Juventute und trat 1922 nach dem Tod von Rosa Bloch deren Nachfolge an.
1926 reiste sie als Schweizer Delegierte an die 6. Tagung der Kommunistischen
Internationale nach Moskau. In der Nähe Moskaus baute sie später ein Kinderheim
auf.
Ab 1929 lebte sie in Berlin und arbeitete im Geschäft «Arbeiterkult», das
Schallplatten mit Texten und Liedern von Brecht, Tucholsky und anderen Autoren
verkaufte. Beim Machtantritt der Nazis musste der Laden geschlossen werden.
Nun übernahm sie für die Partei konspirative Arbeiten und Agententätigkeiten.
1933 rettete sie sich in die Schweiz. Mittellos überlebte sie die Kriegsjahre
in Zürich.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Mentona Moser auf Einladung der DDR in
Ostberlin, nun als Bürgerin der DDR. In einem Pionierheim in Berlin wurde sie
gepflegt, das Armenhaus in der Schweiz blieb ihr erspart.
«Der Lärm der Zeit» prägte im Roman von Julian Barnes das Leben des
Komponisten Dmitri Schostakowitsch.
Dieser entkam zwar den Säuberungen Stalins, während viele
befreundete Künstler erschossen oder in Lager verbannt wurden. Doch Stalin und
seine Funktionäre zwangen Schostakowitsch mit subtilen Drohungen, gefällige
Musik für die Massen zu schreiben. Man nötigte ihn zu falschen Aussagen und
veröffentlichte in seinem Namen regierungsfreundliche Texte. Seine Werke wurden
abgesetzt und verboten. Erst nach dem Tod Stalins konnten sie allmählich wieder
aufgeführt werden. Die Sowjetunion bediente sich vieler Künstler wie
Schostakowitsch, um sich selbst als human darzustellen. Keiner der Betroffenen
wagte es, auf die Missstände in der UdSSR hinzuweisen.
Zermürbt und resigniert fand Schostakowitsch schliesslich in
passivem Widerstand und Ironie die einzige Möglichkeit für sich, die
Forderungen der Behörden zu ertragen und trotzdem für seine Kunst zu leben,
ohne mit seiner Familie die Heimat verlassen zu müssen oder gar umgebracht zu
werden.
Der Roman «Sturmflut» von Margriet de Moor thematisiert die
Flutkatastrophe 1953 in den Niederlanden, als Folge der jahrzehntelang
vernachlässigten Deichbauten, anhand der Geschichte zweier Schwestern.
Die kontroverse Beziehung der beiden führt dazu, dass sich die
eine, Lidy, überreden lässt, das Patenkind der anderen, Armanda, in einem in
Meeresnähe gelegenen Landesteil zu besuchen. Trotz Sturmwarnung tritt Lidy die
Reise, die schliesslich in den Tod führt, an. Armanda findet sich im Leben
ihrer Schwester wieder, heiratet deren Mann und zieht Lidys Tochter Nadja auf.
Bis an ihr Lebensende fragt sich Armanda, wie ihr eigenes Leben unter anderen
Umständen hätte verlaufen können.
Erstaunt hat uns die ungeheure Naivität und die Gutgläubigkeit, mit der die Menschen damals auf ihr marodes Deichsystem vertrauten. Was geschehen könnte überstieg, trotz Vorwarnung, ihr Vorstellungsvermögen. Informationen konnten nicht weitergegeben werden wegen der ausgefallenen Strom- und Telefonverbindungen. So liess sich das Ausmass der Katastrophe lange nicht erkennen. Die Bevölkerung war sich Überflutungen gewohnt, niemand wollte sich von Sturm und Regen in seiner Nachtruhe stören lassen. So nahm das Unglück, unbeachtet von Behörden und Rettungsdiensten, über viele Stunden seinen verhängnisvollen Lauf.
Andrea Camilleri erzählt in seinem Roman «Berühre mich nicht» die
Geschichte einer Frau, Laura Garaudo, die, nicht ohne Spuren zu hinterlassen,
einfach aus ihrem alten Leben verschwindet.
Durch die Gespräche eines Kommissars mit Ehemann, Liebhabern, Freunden und
Bekannten erfahren wir einiges über Laura Garaudos mehr als unkonventiellen
Lebenswandel. Sie wird von ihren Angehörigen als oberflächlich eingeschätzt und
vorverurteilt. Keine der Personen, die sich über sie äussern, scheinen sie
wirklich gekannt zu haben.
Laura Garaudo hat Kunstgeschichte studiert und zum Gemälde von Beato Angelico
«Noli me tangere» promoviert. Die Darstellung dieser biblischen Szene spielt
eine wesentliche Rolle bei ihrem einsamen Entscheid, alles Bisherige hinter
sich zu lassen für ein radikal anderes Leben.
Irène Némirovsky erweist sich in ihrem Roman "Suite française" als
genaue Beobachterin. Detailgetreu beschreibt sie das Verhalten der Menschen bei
ihrer Flucht vor den Deutschen aus Paris im Jahr 1940. Kostbares
Porzellan, Schmuck, Kleider, Wäsche werden wahllos in Autos geladen oder in den
Gärten vergraben. Rücksichtslos und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht,
versuchen Arme wie Reiche auf ihrer Reise Lebensmittel und Unterkünfte zu
ergattern. Die Strassen sind mit Fliehenden, Autos und Lastwagen verstopft, es
gibt kaum ein Durchkommen. Viele kehren schliesslich nach Paris zurück und
finden ihre Wohnungen unberührt.
In einem Dorf, das 1941 von deutschen Soldaten besetzt wird, versuchen sich die
Einheimischen mit den Besatzern zu arranchieren und stellen fest, dass diese
nicht nur Soldaten, sondern Menschen sind.
Die Schriftstellerin betont die sozialen Missstände jener Zeit in Frankreich;
Hass, Neid und Eifersucht zwischen Adeligen, Bürgern und Bauern sind weit
verbreitet. Arme bestehlen Wohlhabende, die Reichen sind nicht bereit, ihre
gehorteten Güter und Lebensmittel mit den Armen zu teilen.
Irène Némirovsky konnte ihr Werk nicht mehr wie geplant vollenden, sie starb am 17. August 1942 in Auschwitz.
Der Roman von Lukas Hartmann "Auf beiden Seiten" erfordert Kenntnisse über den Kalten Krieg und die Politik der Schweiz in jener Zeit. Die Angst vor dem Feind im Osten war allgegenwärtig und Grund für die Entstehung der geheimen Widerstandsorganisation der Armee, P26 (Projekt der 26 Kantone). Der Autor schildert in seinem Buch die Auswirkungen, die diese Organisation und das politische Klima auf das Leben dreier Familien hatte.
Paolo Cognetti beschreibt in seinem Buch "Acht Berge"
das Leben zweier Freunde, die ihre Kindheit in einem zerfallenden Bergdorf am
Fusse des Monte Rosa verbringen. Beide begleiten den Vater von Pietro schon in
früher Jugend auf Wanderungen in die Berge und auf Gletscher. Sie bleiben
begeisterte Berggänger und mit der grandiosen Landschaft verwurzelt.
Während es den einen der Freunde, Pietro, auch in andere
Weltgegenden zieht, in die Gebirge Nepals, verlässt der andere, Bruno, nie sein
Dorf und versucht vergeblich, eine Existenz aufzubauen. Pietro und Bruno bleiben sich trotz ihrer unterschiedlichen
Lebenswege verbunden, bis Bruno im Lawinenwinter 2014 eines Tages nicht mehr in
seiner Hütte angetroffen wird und verschollen bleibt.
Im Buch "Die Dunkelheit in den Bergen" von Silvio Huonder lässt sich anhand eines nie ganz aufgeklärten, historisch belegten Kriminalfalls im Jahr 1821, die Entstehung eines Rechtssystems im Kanton Graubünden mitverfolgen. Ein fünffacher Mord ist geschehen und Johann Heinrich von Mont macht sich in seiner Funktion als Verhörrichter daran, Licht in die Geschehnisse zu bringen. Mit Kutsche, zu Pferd und zu Fuss werden die wahrscheinlichen Täter durch die eindrücklich beschriebene Berglandschaft verfolgt. Die Gewaltentrennung ist noch nicht vollzogen, Baron von Mont ist Polizeidirektor, Gefängnisleiter, Strafverfolger, Verhörrichter und bald auch erster eidgenössischer Fremdenkommissar in einer Person. Für ihn stehen Recht und Gesetz an oberster Stelle. Todesstrafe und Folter sind an der Tagesordnung. Schon damals gibt es Stress und Personalmangel, zu wenig Landjäger stehen für die Suche nach Verbrechern zur Verfügung. Schliesslich werden die mutmasslichen Täter gefasst, es bleiben aber Zweifel am Tathergang.
Das Buch "Tyll" von Daniel Kehlmann löste bei den
Teilnehmern der Lesegruppe eine sehr engagierte und kontroverse Diskussion aus.
Die einen sahen einen nicht ganz den historischen Tatsachen folgenden Roman,
die anderen konzentrierten sich mehr auf die Figur des Tyll Ulenspiegel.
Dieser lebt als Gaukler und Hofnarr inmitten der Wirren des
Dreissigjährigen Krieges. Er begegnet auf seinem Weg unterschiedlichsten
Menschen, armen, hungernden, einflussreichen, provoziert, bringt unangenehme
Wahrheiten ans Tageslicht. Als Narr darf er das. Unverhofft taucht er auf und verschwindet
dann auf geheimnisvolle Weise. "Tyll" will niemals sterben und rettet sich immer wieder
aus scheinbar ausweglosen Situationen. Ein Buch voller Rätsel!
Mit fantasievoller und kreativer Sprache erzählt die Schriftstellerin
Melinda Nadj Abonji in "Tauben fliegen auf" von der Emigration einer
ungarischstämmigen Familie aus der Vojvodina in die Schweiz. Sie schildert
anschaulich die Zerrissenheit der Menschen zwischen der alten und der neuen
Heimat, die unterschwelligen Diskriminierungen und den Rassismus, denen sie
ausgesetzt sind, trotz Einbürgerung. Heimweh wird spürbar bei Besuchen in der
Vojvodina, nach der Natur, den Tieren, Gerüchen, Familienfesten. Die nachfolgenden Balkankriege hinterlassen tiefe Spuren bis in
die Schweiz. Angehörige werden eingezogen und umgebracht, Land enteignet, die
Bauern vertrieben. Dieser Roman hat uns die Sorgen der Menschen aus den ehemaligen
Balkanstaaten verständlich gemacht.
Im Roman "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" von Khaled Khalifa wird eine Reise durch das kriegsversehrte Syrien für drei Geschwister zum Alptraum. Sie transportieren ihren toten Vater in sein Heimatdorf, wo sie ihn, seinem Wunsch folgend, neben seiner verstorbenen Schwester begraben wollen. Auf der Fahrt müssen sie unzählige Kontrollen von wechselnden Interessengruppen des Bürgerkriegs über sich ergehen lassen. Die Geschwister sind zerstritten, die Familiengeschichte, die im Buch beschrieben wird, scheint ein Abbild der desolaten Situation Syriens. Trotz der widrigen und für den Toten unwürdigen Umstände findet die Reise schliesslich ein Ende. Die Reisenden erreichen ihr Dorf, der Vater kann beerdigt werden, wenn auch weitab vom Grab seiner Schwester. Die Geschwister gehen auseinander, sich fremd geblieben und unversöhnt.
Robert Menasse lässt uns mit seinem Roman "Die
Hauptstadt" einen Blick hinter die Kulissen der Europäischen Union
werfen. Die Kommissionsmitglieder der EU werden von vielerlei Problemen
geplagt, die die politische Arbeit in den Hintergrund rücken lassen.
Das schlechte Image der Kulturkommission soll mit einer
Jubiläumsveranstaltung aufgebessert werden. Doch die Vorschläge der
Generaldirektion Kultur für ein "Big Jubilee Project" stossen auf
wenig Gegenliebe. Auschwitz und die "Überwindung des Nationalgefühls"
sollen zum Thema der Feier gemacht werden. Dieses Vorhaben ruft aber die
Nationen und ihre Vertreter in der EU auf den Plan. Ein vertuschter Mord und ein angeblich umher irrendes Schwein, das
Brüssel unsicher macht, verwirren die Lage zusätzlich. Schliesslich führen persönliche Karrierepläne, Intrigen und
Unstimmigkeiten unter den verschiedenen Nationen zum Scheitern des Projekts.
Viel ist in Vergessenheit geraten vom Leben der Bergbevölkerung
im 19. und 20. Jahrhundert in den Alpentälern der Schweiz. Das Buch "Das
grüne Seidentuch" der Schriftstellerin Marcella Mayer führt uns ins
Bergell und ins Engadin und schildert das Leben ihrer eigenen Vorfahren über
vier Generationen. Für uns sind die harten Arbeitsbedingungen und die beengten
Wohnverhältnisse der damaligen Zeit fast nicht vorstellbar. Sehr gross waren
Solidarität und Hilfsbereitschaft unter den Familien und Dorfbewohnern.
Arbeitsstellen wurden mündlich von Mensch zu Mensch gesucht und gefunden. Trotz
des entbehrungsreichen Lebens erreichten die Menschen nach Aufkommen des
Tourismus und der Fremdenindustrie einen gewissen Wohlstand. Dieser war, und
ist es heute noch, abhängig von den Gästen aus allen Ländern Europas.
Der Roman von Kazuo Ishiguro "Was vom Tage übrig blieb" bescherte uns eine engagierte Debatte über verpasste Gelegenheiten und die politischen und gesellschaftlichen Zwänge Englands zwischen den beiden Weltkriegen.
Auf einer Autofahrt durch England blickt der Butler Mr. Stevens auf Jahrzehnte seines Lebens zurück, die er in unbedingter Loyalität zu seinem Arbeitgeber Lord Darlington auf dessen Landsitz verbracht hat. Mit Wehmut erinnert er sich an seine ungelebte Beziehung zu Miss Kenton, der Haushälterin, ist enttäuscht von den politischen Zielsetzungen des mittlerweile verstorbenen Lord Darlington. Er glaubt, als "grosser Butler" keine Gefühle oder Kritik zulassen zu können. Obwohl er immer wieder die Würde seiner Arbeit, des Arbeitgebers und seiner Gäste betont, missachtet er seine eigenen Bedürfnisse und seine Würde als Individuum.
Letztendlich kehrt er zu seinem neuen Dienstherrn Mr. Farraday nach Darlington Hall zurück mit dem Entschluss, nicht länger zurückzuschauen, sonder das Beste aus dem zu machen, "was vom Tage übrig bleibt."
Der Wissenschaftler Daniel Shechtman hat für seine Entdeckung der Quasikristalle 2011 den Nobelpreis für Chemie erhalten.
Im Buch "Quasikristalle" von Eva Menasse verläuft das Leben der Xane Molin wie die Anordnung der Quasikristalle, "geordnet aber nicht ganz regelmässig strukturiert". Die einzelnen Sequenzen dieser Biografie fügen sich wie ein Puzzle ineinander und hinterlassen den etwas zwiespältigen Eindruck einer kämpferischen, selbständigen Ehefrau, Mutter, Freundin, Chefin, Grossmutter. Ein volles Leben wird hier, zum Teil nur andeutungsweise, beschrieben und lässt den Lesern viel Spielraum für eigene Interpretationen.
Obwohl sich nicht alle Teilnehmer unserer Lesegruppe von der bildhaften Sprache der Schriftstellerin Juli Zeh angesprochen fühlten, sorgte die verworrene Beziehung dreier Menschen zueinander, die im Roman "Schilf" geschildert wird, für eine engagierte Diskussion.
Der Streit zweier befreundeter Physiker um parallele Welten, Willensfreiheit und Doppelleben führt zu einem verhängnisvollen Missverständnis mit tragischen Folgen. Ein unbegreiflicher, makabrer Mord ist die Konsequenz dieser heftigen Auseinandersetzung. Dem todkranken Kommissar Schilf gelingt es mit unkonventionellen Ermittlungsmethoden, sowohl den Täter zu finden, wie auch den moralisch Schuldigen mit seiner Verantwortung zu konfrontieren.
Beim Romann "Lügnerin" von Ayelet Gundar-Goshen, gingen die Meinungen weit auseinander. Nicht allen Leseratten gefiel der als
fast märchenhaft empfundene, auf die Probleme Jugendlicher ausgerichtete Stil.
Andererseits wurde uns bewusst, was für einen Einfluss Betroffene und Medien
auf den Gang der Ereignisse haben, wenn es um Uebergriffe, Betrug und Lügen
geht. Solche Skandale können von eigentlich Unbeteiligten für ihre eigenen
Zwecke missbraucht und ausgenutzt werden.
Beim Dezember-Treffen haben wir uns mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Einwohner Wiens auseinandergesetzt. Was sie bedeuteten, führte uns der Roman "Der Trafikant" von Robert Seethaler drastisch vor Augen. Die Bekanntschaft mit dem Juden Sigmund Freud und der Opportunismus seiner Freundin Anezka liessen den jungen Trafikanten Franz Huchel die Tragweite des Regimes langsam begreifen. Durch das verhängnisvolle Verschwinden seines Arbeitgebers, Otto Trsnjek, wurde aus dem etwas naiven Landburschen ein mutiger Bürger.
Das Buch "Winterjournal" von Paul Auster war Anlass für uns, verschiedene lebensgeschichtliche Themen anzusprechen.
Ist unser Schicksal vorbestimmt oder eben auch beeinflussbar? Die Meinungen gingen auseinander, führten aber zur Frage, inwieweit wir uns absichern können gegen die Folgen von Schicksalsschlägen. Die Schweizer sind ja Meister im Abschliessen von Versicherungen aller Art.
Wie steht es mit der Notwendigkeit eines Vorsorgeauftrags, wann und wie sollte dieser erstellt werden? Auch dieses Problem wurde rege erörtert.
Bewundert haben wir Paul Auster für seinen Entschluss, das Autofahren nach einem schweren Autounfall von einem Tag auf den anderen aufzugeben. Hier wurde das Erkennen des richtigen Zeitpunkts zum Thema.
Viel zu reden gaben auch die vielen Wohnsitzwechsel des Autors. Sie sind wohl der Grösse der USA geschuldet, wo man eher einem Arbeitsplatz nachzügelt als in der kleinräumigen Schweiz.er 13. September 2017 war dem Buch "Die dunkle Seite der Liebe" von Rafik Schami gewidmet. Auf eindrückliche Weise erzählt der Schriftsteller die dramatische Geschichte zweier verfeindeter Familien in Damaskus. Er schildert die Lebensweise, Bräuche und Kultur im Syrien des letzten Jahrhunderts und gibt uns einen Einblick in eine völlig fremde Welt. Politik spielte sich innerhalb der Familien und Clans ab, wohl bis in die heutige Zeit. Nur wer sich in dieses System einfügte hatte die Chance, in Ruhe und unbehelligt von Denunziation und Verhaftung leben zu können.
Die Diskussion drehte sich denn auch um unsere eigenen Erfahrungen mit Zwängen und Vorschriften in der westlichen Welt und im eigenen Umfeld.
Den "Mitternachtsweg" zu beschreiten ist ein gefährliches Unternehmen, besonders wenn mysteriöse Ereignisse mitspielen, wie im Buch von Benjamin Lebert, das wir am 19. Juli 2017 diskutierten. Wanderungen übers Wattenmeer, das geheimnisvolle Verschwinden von Menschen und ihr Auftauchen als "Wiedergänger" wird in vielen Legenden und Sagen aus nördlichen Ländern überliefert. Solche Geschehnisse lassen sich mit dem Verstand nicht erfassen. In unserer Diskussion versuchten wir, die rätselhaften Begebenheiten einzuordnen im Wissen, dass viele unbegreifliche Vorfälle zwischen Himmel und Erde letztlich nicht zu erklären sind.
Der "Niedergang" von Roman Graf: Die dramatische Erzählung einer mangelhaft vorbereiteten und unverantwortlich durchgeführten Bergtour, die die trostlose Beziehung der beiden Beteiligten widerspiegelt. Näheres zum diskutierten Buch "Niedergang" kann hier nachgelesen werden.
Das Buch "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenleger" von Alex Capus. Die vielschichtigen Biographien dreier Schweizer Bürger führten zu interessanten Überlegungen, unter anderem bezüglich der Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg, dessen Auswirkungen das Leben der drei Menschen beeinflusste.
Zum ersten Mal haben wir uns am 23. August 2016 in den gediegen renovierten Räumen an der Stallikonerstr. 54 getroffen. Gelesen und diskutiert haben wir das Buch: "Am Hang" des verstorbenen Schriftstellers Markus Werner. Es lohnte sich, den Band zweimal zu lesen, weil sich viele rätselhafte Passagen der spannenden Handlung erst im Wissen um den Schluss erklären liessen.
Bei Bedarf ein Hinweis zu Buchbestellungen.